Die Beweislast für die Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachung liegt immer beim Betreiber

Art. 5 DSGVO     Abs.2

2. Der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes 1 verantwortlich („Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz“dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein („Datenminimierung“); geeignete technische und organisatorische Maßnahmen („Integrität und Vertraulichkeit“) und muss dessen Einhaltung nachweisen können („Rechenschaftspflicht“).

Das OLG Stuttgart, Urteil vom 18.05.2021 – 12 U 296/20 

 

(7) Beweislast

Nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO ist der Verantwortliche für die Einhaltung der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung (vgl. auch Art. 5 Abs. 1 DSGVO) verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können („Rechenschaftspflicht“).

Die Beweislast für die Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachung liegt immer beim Betreiber

Dies wird in der Kommentarliteratur überwiegend dahin gewertet, dass die Beweislast für die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung beim Verantwortlichen liege, was auch durch Art. 24 Abs. 1 DSGVO (Verantwortlichkeit für rechtmäßige Datenerhebung) noch einmal bekräftigt werde (Gola DS-GVO/Pötters, 2. Aufl., DS-GVO Art. 5 Rn. 34 m.w.N.; a.A.: allgemeine zivilprozessuale Beweislastregeln in zivilrechtlichen Gerichtsverfahren über Streitigkeiten über Fragen der DSGVO und des BDSG: Wybitul, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 5. Aufl., Band 1, § 96 Rn. 71 m.w.N.).

Aber auch nach den allgemeinen Beweislastregeln im Zivilprozess trägt der Beklagte für den Nachweis der Rechtmäßigkeit der Überwachung die Beweislast, wie dies der Regelung in Art. 5 Abs. 2 DSGVO entspricht.

Das Grundprinzip der Beweislastverteilung, nach dem jede Partei die Voraussetzungen einer ihr günstigen Norm zu behaupten und zu beweisen hat, lautet, dass auf der ersten Ebene der Antragsteller für die rechtserzeugenden Tatsachen seines Anspruchs beweispflichtig ist. Auf einer zweiten Ebene trägt derjenige, welcher sich auf den Nichteintritt, die Hemmung oder den Untergang des an sich bestehenden Anspruchs beruft, die Beweislast für die rechtshindernden, rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Tatsachen (BGH, Urteil vom 13. 11. 1998, V ZR 386/97NJW 1999, 1952, 1953 m.w.N.). Auch den rechtsvernichtenden Tatsachen können vernichtungshindernde (rechtserhaltende) Tatsachen gegenübertreten, die wiederum zu einer auf der Gegenseite liegenden Beweislast führen. Ihnen können weitere Normen mit entgegengesetzter Wirkung entgegentreten, und so ergibt sich ein „weitreichendes, sich ständig wiederholendes Widerspiel von Rechtssätzen, weil die Wirkung jeder Norm durch eine andere gehindert oder vernichtet werden kann“ (BGH zitiert Rosenberg, Urteil vom 13.11.1998, V ZR 386/97NJW 1999, 1952, 1953 m.w.N.).

Wenn Art. 5 Abs. 2 DSGVO als spezielles Datenschutzgesetz bestimmt, dass der (für die Datenerhebung) Verantwortliche für die Einhaltung der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung (vgl. auch Art. 5 Abs. 1 DSGVO) verantwortlich ist und dessen Einhaltung nachweisen können muss, ist nicht ersichtlich, dass diese Pflicht nicht auch gegenüber dem von der DSGVO geschützten Bürger gelten soll. Der Nachweis der Rechtmäßigkeit der Überwachung ist daher auch im Zivilprozess vom Beklagten zu erbringen, worauf der Senat im Berufungstermin eingehend hingewiesen hat.

Im Ergebnis hat der Beklagte nachzuweisen, dass er die Videoüberwachung rechtmäßig betreibt. Dies ist ihm nicht gelungen. Unterstellt, es läge ein berechtigtes Interesse etc. an der Videoüberwachung vor, würde der Beklagte seine Kunden gleichwohl unter Verstoß gegen damals wie heute geltendes Datenschutzrecht beobachten, da es jedenfalls an der vorherigen Festlegung des Zweckes der Maßnahme (§§ 4 Abs. 1 Nr. 3 BDSG, § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG a.F.) fehlt. Ob aktuell eine ordnungsgemäße Kenntlichmachung der Beobachtung und Nennung der verantwortlichen Stelle (§§ 4 Abs. 2 BDSG, § 6b Abs. 2 BDSG a.F.) erfolgt, fällt daneben nicht mehr ins Gewicht.

  1. Vorbeugende Unterlassungsklage/Wiederholungsgefahr

Es besteht auch die Gefahr der Wiederholung der unrechtmäßigen Beobachtung des Klägers in der Zukunft.

Beim Einkauf am 09.03.2018 wurde der Kläger durch die Videoüberwachung in seinen Rechten verletzt. Der Beklagte hat in der Folgezeit die Voraussetzungen für eine gesetzeskonforme Videoüberwachung nicht nachweislich geschaffen. Er hat es auch abgelehnt, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Mit der Berufung hat der Kläger dargelegt, dass er es nicht ausschließen könne, den XY auch in Zukunft zu betreten. Er wohnt am gleichen Ort, in dem sich auch der Einkaufsmarkt befindet. In diesem Fall würde er sich wiederum der unzulässigen Videoüberwachung aussetzen. Es besteht daher eine Wiederholungsgefahr.

  1. Urteilstenor zur Unterlassungsklage

Der Urteilstenor hat regelmäßig nicht anzugeben, durch welche Maßnahme die Beseitigung oder Unterlassung zu bewirken ist, denn darüber entscheidet der Störer. Anderes gilt nur, wenn es nur eine Maßnahme gibt (vgl. Palandt/Herrler, a.a.O., § 1004 BGB Rn. 51 m.w.N.). Vorliegend bleibt es dem Beklagten überlassen zu entscheiden, auf welche Weise er die unrechtmäßige Videoüberwachung beendet. Er kann sie komplett aufgeben oder ggf. unter Beachtung der Vorgaben des BDSG und der DSGVO betreiben.

Der Kläger hat allerdings keinen allgemeinen Anspruch auf die Einhaltung von Normen, die ihn nicht individuell schützen sollen, mithin keinen drittschützenden Charakter haben.

  1. Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung der Unterlassungspflicht

Die Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft bei Nichtbeachtung der den Kläger schützenden Normen zur Videoüberwachung ist gemäß § 890 ZPO auszusprechen.

  1. Schmerzensgeld in Höhe von bis zu € 1.000, — zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus jährlich seit Rechtshängigkeit

Dem Kläger steht wegen der erfolgten Videoüberwachung im März 2018 kein Schmerzensgeldanspruch zu.

(1) Nach dem ab 25.05.2018 geltenden § 83 Abs. 2 BDSG kann die betroffene Person im Falle einer Schadenszufügung durch die Verarbeitung personenbezogener Daten auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Norm war seinerzeit noch nicht in Kraft.

 

*Anmerkung : die Klage wurde vor dem 25.3.2018 eingereicht, damals war die DSGVO noch nicht in Kraft getreten